Grönlands Ostküste

Text: Marion Ziegler, Bilder: Peter und Marion Ziegler

Über den Ort und die Menschen

Im Anschluss an unseren Islandtrip (siehe Blogbeitrag „Islands Westfjorde“) geht es jetzt weiter nach Grönland. Wir haben uns bewusst für den Osten entschieden, da wir uns den Ort nicht mit etlichen Kreuzfahrtschiffen teilen wollen.

Auf Ammassalik, einer Insel im Osten Grönlands, etwa 100 km südlich des Polarkreises gibt es nur wenige Touristen. Kulusuk ist einer der wenigen Orte, die es dort gibt und gleichzeitig ist hier einer der wenigen Flughäfen zu finden. Tasiilaq, unseren Zielort erreicht man von dort in etwa einer Stunde mit einem Boot oder man nimmt einen Helikopter. Straßen, die die Orte verbinden, gibt es hier keine.

Tasiilaq mit seinen 2100 Einwohnern ist gleichzeitig quasi die Hauptstadt Ostgrönlands. Die Leute dort leben überwiegend vom Fischfang und Jagd auf Robben (dazu später mehr). Nur wenige Monate im Jahr ist das Meer hier eisfrei und die Sonne scheint den ganzen Winter über nicht. Der Ort ist von hohen Bergen umgeben und aus einem Tal, dem „Tal der Blumen“ fließt ein kleiner Fluss. Bunte Häuser schmiegen sich an die Hänge und es gibt keine Straße, die nicht entweder hoch oder runter geht.

Der Name „Tasiilaq“ bedeutet „wie ein See“ und bezieht sich auf den Fjord, der nur einen ganz schmalen Eingang vom Meer her hat und meist sehr ruhig liegt.

Neben dem kleinen Kulusuk und Tasiilaq gibt es noch vier kleine Dörfer (Sermiligaaq, Kuummiut, Tiniteqilaaq und Isortoq). Ganz Ammassalik kommt dann auf 3000 Einwohner.

Die ostgrönländischen Inuit waren schon mehrere Jahrhunderte erfolgreiche Jäger. Im 18. Jahrhundert siedelten sie an der gesamten Ostküste. Das Leben war sehr schwer aufgrund der Naturkräfte, gegen die sie stets zu kämpfen hatten. Man weiß nicht ganz genau, wieso im 19. Jahrhundert die Bevölkerungszahl rapide zurück ging und vermutet Klimawechsel, ausbleibende Jagderfolge, Krankheiten, Hunger, Streit oder auch eine Mischung aus allem als Ursache. Lediglich der Distrikt Ammassalik blieb bewohnt.

Hierher führte es den Expeditionsleiter Gustav Holm, der in der sogenannten Frauenbootexpedition 1884 von Westgrönland aus die Küste entlang fuhr. Er überwinterte im Osten der Insel, wo man heute allerdings keine Überreste des Lagers mehr findet. Er zählte insgesamt 413 Einwohner im ganzen Gebiet.

1892 zählte eine erneute Expedition nur noch 294 Einwohner und es war zu befürchten, dass der dort lebende Stamm bald aussterben würde. Daraufhin errichtete die dänische Regierung eine ostgrönländische Kolonie. Eine Handels- und Missionsstation wurde 1894 in Tasiilaq am Kong Oscars Havn im gleichnamigen Fjord (dänisch für „König Oscar Hafen/Fjord) errichtet. Dadurch verbesserten sich die Lebensbedingungen und im Jahre 1914 war die Einwohnerzahl auf 599 gestiegen. Bis heute dann auf 3000. (Quelle: Infoblatt der „Destination East Greenland“)

Es ist also noch gar nicht so lange her, dass dieses Volk aus der völligen Isolation plötzlich mit den Errungenschaften der modernen Welt konfrontiert wurden. Viele der Traditionen sind noch so tief verankert, dass dies auch zu Konflikten führen kann und vom „industriell geprägten modernen Menschen“ nicht verstanden werden. Vor allen Dingen die Tagestouristen, die von Reykjavik für einen Tag nach Kulusuk geflogen werden, dort aber nicht weiter können, durch die im Regelfall recht leere Stadt laufen, vielleicht nur Müllberge registrieren, nach 4 Stunden zurück fliegen und meinen, sie kennen jetzt Grönland.

In Tasiilaq führt dagegen der ehemalige Abenteurer Robert Peroni ein Haus der Begegnung (das „Rote Haus“), in dem er Tagesgäste ablehnt und darauf Wert legt, dass die Gruppen, die dort wohnen länger bleiben und einen genaueren Einblick in die Kultur und Lebensweise der Menschen dort bekommen.

Robert Peroni ist in Südtirol geboren, war Extremsportler, Mediziner und noch einiges mehr. Er hat sein Herz an Grönland verloren, als er 1983 mit zwei Freunden das grönländische Inlandeis an der breitesten Stelle in 88 Tagen durchquerte. Im Buch „Der weiße Horizont“ hat er die Erlebnisse festgehalten. Um Gewicht zu sparen, hat er als Verpflegung an der Entwicklung einer Trinknahrung mitgewirkt (Peronin), das man bis heute kaufen kann.

Er hat sich nach eigenen Erzählungen überreden lassen, dort zu bleiben und ein Haus zu kaufen, das er danach ständig erweitert hat. Man kann einen Aufenthalt im „Roten Haus“ heute auch auf Booking.com buchen, sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass es nicht einfach nur ein Hotel ist. Außerdem ist es nicht einfach, wenn man allein dort ist, viel zu unternehmen und zu sehen, da Boote oft von Gruppen belegt sind und es nicht viel mehr gibt. Ein Hotel existiert noch, aber wir haben deren Besucher kaum gesehen. Laut Aussagen unseres Reiseführers ist das immer so. Sie kommen an und bleiben mehr oder weniger dort in ihrem geschützten Raum.

Unsere Reise führt uns also mit einer Gruppe dorthin und zwar mit „Wikinger Reisen“.

Mo,12.8. 2019

Auf nach Grönland

Nach unserem Islandtrip durch die Westfjorde geht es nun heute los nach Grönland. Beim Frühstück lernen wir den Reiseleiter Sebastian kennen und einige Mitreisende, die heute Nacht aus Deutschland angereist sind. Es ist eine nette Gruppe von 16 Leuten und alle sind gespannt auf das, was uns erwartet. Um 8:45 Uhr ist Treffpunkt in der Lobby. Ein Shuttlebus fährt uns zum nationalen Flughafen.

Der Anflug auf Kulusuk in unserer kleinen Turbopropmaschine (80 Plätze) ist schon spektakulär. Wie oft sind wir schon sehnsuchtsvoll über das Grönlandeis geflogen. Und nun werden wir tatsächlich dieses abgelegene Land betreten. Eisschollen glänzen in der Sonne und das kleine Flugzeug setzt sanft auf der Schotterpiste mitten im Nichts auf. Ursprünglich war hier eine US Airbase. Ohne irgendeine Kontrolle steht man plötzlich vor dem Gebäude, wo man sein Gepäck auf einen Gabelstapler abholen kann. Ein Quad mit Anhänger fährt die Koffer zum Boot und wir laufen die Strecke. Das Verladen des Gepäcks in ein Boot ist schon ein Abenteuer, weil man eine Holztreppe ohne Geländer hinab muss und dann über einen Felsen. Das Einsteigen in die zwei anderen Boote ist daher auch nicht einfach. Wir schaffen es, ohne dass ein Koffer oder Mensch in das eiskalte Wasser fällt. Noch kaum haben wir die unhandlichen und äußerst unbequemen Schwimmwesten an, als das Boot schon mit halsbrecherischem Tempo losbraust. Es ruckelt ganz schön und wir sind froh, als wir ankommen. Das Aussteigen ist nicht ganz so dramatisch, weil das Boot an einem Holzsteg anlegt.

Zum Glück müssen wir die Koffer nicht den Berg hoch schleppen. Robert Peroni selbst kommt mit dem Auto und fährt alles nach oben. Wir laufen mit dem Handgepäck etwa 1km bergan zum „Roten Haus“ in dem wir die nächsten 8 Tage wohnen werden. Wir und noch 8 andere bekommen ein Zimmer im Nebenhaus mit eigenem Bad – Luxus hier in Tasiilaq, wo es nicht mal in jedem Haus eine Toilette gibt, geschweige denn fließendes Wasser.

Üblich ist, dass die Einwohner sich das Wasser in Behältern holen und dass die Toilette ein Gefäß ist, dessen Inhalt jeden Tag von einem Wagen abgeholt und irgendwo abgekippt wird. Bei ganz „modernen“ Häusern wird es abgepumpt, wie auch in unserer Unterkunft. Fast schon ist einem dieses Privileg des WC im Zimmer unangenehm.

Die Zimmer im Haupthaus sind deutlich kleiner, haben zum Teil Stockbetten und ein Gemeinschaftsbad.

Das Rote Haus in Tasiilaq
Kong Oscars Fjord vor Tasiilaq

Wir laufen erst mal allein durch den Ort. Das Licht der Nachmittagssonne ist so fantastisch, dass wir Unmengen von Fotos schießen, Der Kontrast des hellblauen Himmels zum dunkelblauen Fjord, weißen Eisbergen und bunten Häusern ist so intensiv. Wer weiß wie es morgen ist.

Das Versorgungsschiff ist da
Kinder fischen im eiskalten Wasser

Die bunten Häuser sind sehr malerisch, jedoch bei näherem Hinsehen auch sehr einfach. Vor den Häusern flattert bunte Wäsche und überall hängt Fisch zum trocknen – man muss die guten Tage ausnutzen! Kinder spielen in der Sonne und die Leute lachen uns freundlich an. Wir fühlen uns absolut nicht fremd hier.

Wir wundern uns über den großen hellgrünen Fussballplatz in der Ortsmitte und erfahren später, dass er vor zwei Jahren zur Jugendförderung gebaut wurde. Er liegt an der einzigen ebenen Stelle des Ortes. Wir laufen bergauf und bergab und spüren jetzt schon, dass es kein einfacher Urlaub wird.

Im kleinen Supermarkt ( es gibt auch noch einen großen), kann man sich von 9-22 Uhr mit fast allem eindecken. Wir kaufen Äpfel, Müsliriegel und Orangensaft. Das Wasser kann man aus der Leitung trinken. Auch eine Post gibt es, deren Öffnungszeiten aber wohl sehr unregelmäßig sind.

Um 19 Uhr ist Abendessen im roten Haus, wo es nach Spaghetti mit Tomatensauce als Hauptgericht schwarzen Heilbutt gibt. Es schmeckt wirklich gut und die Portionen sind so groß, dass viele kaum den Schokoladenkuchen zum Nachtisch schaffen. Robert Peroni erklärt jeden Abend persönlich, was es zu essen gibt und wie es verarbeitet wurde.

Nach dem reichhaltigen Essen und einem Wein sind alle recht früh müde. Vor allem die anderen, die ja gestern erst aus Deutschland gekommen sind und eine Zeitverschiebung von 4 Stunden verkraften müssen. Für uns, die wir schon 10 Tage in Island waren, sind es nur 2 Stunden Unterschied.

Di, 13.8.2019

Tasiilaq und Blumental

Wir sind schon früh wach, weil mein IPad uns weckt – leider hatte ich vergessen die Zeit umzustellen. Da es nicht mit dem WLAN verbunden war, hat sich die Zeit nicht umgestellt und jetzt ist es erst 5 Uhr! Im Haupthaus kann man kostenpflichtig einen Zugangscode kaufen, was ich aber nur mit den Handy genutzt hatte.

Das Frühstück ist sehr rustikal aber üppig. Man schneidet sich Brot, Wurst und Käse selbst ab. Es ist gut und sehr vielfältig. Dass es kein frisches Obst gibt, versteht sich von selbst, aber es gibt Müsli, Joghurt, gekochte Eier, Wurst, Käse, Fisch, Saft, Marmelade usw. Man kann sich für etwa 5€ ein Lunchpaket für den Tag machen.

Das Programm heute ist erst mal, die nähere Umgebung zu erkunden. Wir fangen damit am Campingplatz und dem Strand darunter an. Die Sonne scheint, aber der Wind ist kalt. Der kleine Heliport neben dem Campingplatz wird stark frequentiert, andauernd starten und landen Hubschrauber, die die Leute fliegen, die nicht mit dem Boot ankommen. Auch wir erwarten noch eine Nachzüglerin, die gestern keinen Platz mehr in der Maschine bekommen hatte und in Reykjavik bleiben musste. Da die Hubschrauber wegen Nebel in Kulusuk nicht starten konnten, landet sie erst um halb eins. Wir sammeln sie auf, parken das Gepäck und starten Richtung Blumental nachdem sich alle im Supermarkt mit Essbarem versorgt haben.

Zeltplatz in Tasiilaq

Der Weg ist nicht weit, es geht am Gemeinschaftshaus ( mit Duschen und Waschmaschinen) vorbei und am Friedhof. Die vielen schlichten weißen Kreuze leuchten in der Sonne und die Gräber sind mit vielen bunten (Plastik-) Blumen geschmückt.

Etwas oberhalb setzen wir uns auf eine Wiese und picknicken in der Sonne. Es ist jetzt richtig warm geworden. In einer Vorstellungsrunde lernen wir uns alle etwas näher kennen. Wir haben Glück, dass kein unangenehmer Mitreisender dabei ist. Es ist eine lustige und angenehme Gruppe.

Unser Guide Sebastian Pfeifer ist ein wandelndes Lexikon. Egal was man fragt, Pflanzen, Tiere, Steine – er weiß alles, oder zumindest wo er nachschlagen kann. Er ist Archäologe aus Jena und war schon oft beruflich in Grönland. Mit jedem Satz merkt man, dass das hier nicht einfach nur ein Job für ihn ist, sondern, dass sein Herz an dem hängt, was er uns erklärt. Er zeigt uns auch die hier wachsenden (essbaren) Pflanzen, wie Rosenwurz und Sauerampfer.

Wir fallen auf dem Rückweg noch in dem großen Supermarkt ein, in dem man fast alles bekommt, auch Kleidung, Alkohol, Gewehre ( ja wirklich, die stehen dort im Regal!), medizinische Dinge und Sportartikel. 

Heute gibt es zum Abendessen nach dem „Gruß aus der Küche“ (getrocknete Tomate mit Olivenöl, die aber gut schmeckt) eine ziemlich leckere Zucchinisuppe und danach ein „Balena Tonnata“, sozusagen eine Art Vitello Tonnato. Statt Kalbfleisch wird hier aber Wal (Italienisch: balena) verwendet. Ich bin erstaunt – es schmeckt wie Rindfleisch. Den Schokokuchen als Dessert schaffen wir kaum noch.

Ziemlich früh fallen wir müde ins Bett.

Robben und Waljagd der Inuit

Für die Gegner des Walfangs ein paar Worte zur speziellen Situation hier in Ostgrönland. Oft werden die Grönländer vorverurteilt, weil sie Wale und Robben jagen. Dazu muss man sich etwas mit der Kultur, Lebensweise und Möglichkeiten hier an diesem Ort am Ende der Welt beschäftigen. Etwas davon habe ich in der Einleitung zu diesem Blog ja schon erklärt. Hier ist es komplett anders als zum Beispiel in Island, wo auch Wale gejagt werden oder auch im touristisch mehr erschlossenen Westgrönland um die Discobucht, wo der Golfstrom ganzjährig den Hafen eisfrei hält. Drei bis vier Monate im Jahr kann hier in Tasiilaq ein Versorgungsschiff landen, dann ist der Seeweg durch Eis verschlossen. Bis dahin müssen alle Container mit den Dingen gefüllt sein, die die Menschen hier das ganze restliche Jahr über brauchen. Auch die Hubschrauber sind keine Option – können Sie doch auch nur bei gutem Wetter landen. Das Einzige, das ihnen hier dann bleibt ist Fischen und Jagen.

Die Jagd auf Robben, Wale und Eisbären ist streng reglementiert. Es dürfen nur lizensierte Jäger diese Tiere erlegen, und zwar nur per Boot oder Hundeschlitten. Die Anzahl ist begrenzt und deckt nur den Bedarf. Aus Spaß oder wie in anderen Gebieten als Touristenattraktion jagt hier niemand. Die Dinge, die wir uns im Supermarkt kaufen, sind für die Bewohner des Ortes oft unerschwinglich.

Da im „Roten Haus“ nur Grönländer arbeiten – Robert ist hier der größte Arbeitgeber – präsentieren sie natürlich gern ihre Nationalgerichte. Ich selbst würde in keinem anderen Land diese Tiere essen, aber hier gibt es halt nicht viel anderes. Und es zeugt meiner Meinung nach von wenig Respekt diesen Menschen gegenüber, arrogant aus sogenannten Umweltgründen diese zurückzuweisen. Ich habe in die Gesichter der Leute geschaut, die glücklich lächelnd uns Fremde bedienen und Robert Peroni, der uns jeden Abend persönlich das Menü erklärt, weist uns auch darauf hin, dass sie es als ein Zeichen der Wertschätzung wahrnehmen, wenn sie die Teller nicht wieder voll zurücknehmen müssen.

Vielleicht wird es hier dazu negative Bemerkungen geben, aber ich stehe dennoch zu meiner Einstellung. Wobei ich durchaus verstehe, wenn man sich bei einigen Dingen überwinden muss. Rohe Walhaut zum Beispiel habe ich lediglich probiert um zu entscheiden, dass ich das nicht herunter bringe. Es schmeckt allerdings ein wenig nach fettem Speck, den ich auch nicht essen möchte, liegt also nicht am Abscheu gegen das Tier.

Robert versichert fast schon zornig, dass durch die Jagd hier kein Tier aussterben wird. Er ist nicht gut auf Organisationen zu sprechen, die bei ihren Aktionen zu sehr verallgemeinern.

Früher und auch heute haben sie aus Robbenfellen Produkte hergestellt und verkauft. Seit den Aktionen von Greenpeace z.B. (die aber auch nur die sinnlose Robbenabschlachterei auf dem Eis angeprangert haben) will keiner mehr so etwas kaufen. Damit fällt eine Erwerbsquelle weg. Und wenn man so lebt, wie hier am Ende der Welt, ist das eine schlimme Situation, die dann andere Miseren nach sich zieht. Was macht man, wenn man nichts zu tun hat und es das halbe Jahr dunkel ist? Ja, Alkoholmissbrauch ist hier ein Problem und auch Müll, der herumliegt, aber im Prinzip auch eine Folge davon, dass sie nicht mehr so leben können wie früher, in der modernen Welt aber noch nicht richtig angekommen sind. Ich jedenfalls bin ins Grübeln gekommen und habe einige (Vor-) Urteile revidieren müssen.

Mi, 14.8.2019

Um den Hausberg in Tasiilaq

Am Morgen füllt der Nebel das ganze Tal. Es ist aber nicht so kalt und windig wie gestern. Nach dem Frühstück gehen wir auf eine etwas längere Wanderung. Sebastian schultert das Gewehr bevor es losgeht. Ja, es gibt Eisbären hier in Tasiilaq, wenn auch selten und wenn man sich in Meeresnähe aufhält, nimmt man halt eine Waffe mit. Wir hoffen jedoch alle, dass wir sie nicht brauchen.

Der „Weg“ ist eigentlich keiner, es geht über Wiesen, Moosteppiche, Geröllfelder, Felsen und kleine Bäche. Jetzt im Sommer kann man meistens einfach über die Steine balancieren. Das Wasser ist allenfalls so hoch, dass die wasserfesten Schuhe ausreichen. Zu anderen Zeiten kann es aber notwendig sein, Extraschuhe zum Überqueren zu haben. Es ist schon anspruchsvoll, weil es manchmal steil bergan und bergab auf sehr schmalen Pfaden geht und ich bin froh, dass ich meine Wanderstöcke habe. Ich bin erstaunt und froh, dass mein verletzter Fuß mitmacht (ich hatte mir im ersten Teil unserer Reise in Isarfjördur/Islans eine Bänderverletzung zugezogen)! Die Aussicht ist grandios und die Farben unbeschreiblich. Dunkelblaue Seen, weiße, braune und rote Felsen, grüne niedrige Gewächse, bunte kleine Blumen, blauer Himmel mit weißen Wolken, tiefdunkles Meer mit weißen Eisbergen und Schaumkronen wechseln sich ab. Wir machen ein Mittags- Picknick an einem der Seen und ein ganz mutiger der Gruppe geht sogar ganz zu einem Bad in das kalte Wasser.

Blumen in Tasiilaq
Über den Dächern des Ortes

Wir passieren noch einen Bergrücken und dann liegt das Meer vor uns. Ein paar kleine Eisberge schaukeln nahe der Küste und im Eingang des Fjordes und hinten im Nebel sieht man die Silhouette eines großen Eisberges. Wir setzen uns auf die Steine und genießen die Aussicht. Das finde ich schön bei dieser Gruppenreise, dass es nicht nur immer „weiter, weiter, weiter“ heißt, sondern dass Zeit bleibt die Seele nachkommen zu lassen, Fotos zu machen und auch einfach mal nichts zu tun. Wer möchte, fragt Sebastian nach Dingen, die er wissen möchte oder man erkundet einfach selbst die (nahe) Umgebung. Aus dem Sichtfeld gehen sollen wir allerdings nicht.

Der Rückweg führt uns am Ufer des eben schon erwähnten Sees entlang und uns fällt immer häufiger Unrat auf, der hier liegt. Sogar an einer zerstörten Satellitenschüssel kommen wir vorbei – das alles kann nicht ein Mensch hier oben hergebracht haben. Sebastian erklärt uns, dass im Winter hier oft ein eisiger Sturm wütet, der Piteraq, der mit über 250 km/h alles mitnimmt, was nicht ganz fest gesichert ist. Sogar den Ort hat er schon mal zerstört. Wir gehen wohl gerade genau durch die Schneise, durch die er seine Beute geweht hat.

Erstaunen auf der letzten Anhöhe über Tasiilaq: Vor dem Hafen liegt ein kleines Kreuzfahrtschiff vor Anker – hier also auch schon! Kleine Shuttleboote fahren hin und her, um die Passagiere an Land zu bringen. Wir wollen auch noch in den Ort, aber Sebastian bringt erst sein Gewehr weg, damit er nicht zum Fotoziel der Touristen wird. Wir schlendern durch die deutlich belebteren Straßen, die aber nicht zu vergleichen sind mit dem, was wir aus Skagway oder Juneau in Alaska kennen, wo die Riesenschiffe Tausende von Tagestouristen in die Stadt spülen. Es ist auch das einzige Kreuzfahrtschiff, das wir in der ganzen Zeit hier sehen und offenbar hier noch (zum Glück) eine Seltenheit.

In der Ortsmitte, im historischen Gebäude „Skaeven“ befindet sich die Touristeninformation, die von DEG (Destination East Greenland) betrieben wird. Hier kann man auch Souvenirs, Getränke und Eis kaufen (Lakritzeis, sehr zu empfehlen!). Hier ist reges Treiben und wir sehen, dass es offenbar ältere Amerikaner sind, die mit dem Kreuzer gekommen sind. Auch könnte man hier, wenn man ohne Gruppe unterwegs ist, eine geführte Tour buchen. Wir haben heute etwas Freizeit und setzen uns in der Sonne auf eine der „Schlittenbänke“ (Sitzbänke aus Holz, die aussehen wie ein Schlitten), die überall aufgestellt sind.

Um 16 Uhr gibt es im „Roten Haus“ noch eine Geschichtsstunde mit Sebastian, wo er uns über die Siedlungsgeschichte Grönlands sehr unterhaltsam informiert.

Vor dem Abendessen sitzen wir dann noch auf der Terrasse in der Sonne und sehen, wie der Nebel langsam wieder in die Bucht zieht. Es wird kühl und man muss eine zweite Jacke überziehen.

Zum Abendessen gibt es wieder Wal, diesmal als Ragout mit Polenta. Vorher noch eine ausgezeichnete Pasta mit Kurkuma und hinterher Eis. Mit einem Glas Wein lassen wir den Abend ausklingen.

Das Inlandeis und der Pottwal

Do, 15.8.2019

Heute steht eine Bootsfahrt zum Inlandeis an. Eigentlicher Programmpunkt war eine Walewatchingtour, aber auf Anregung der Gruppe, die nach den Erzählungen von Robert und Sebastian unbedingt das Inlandeis sehen wollte, hat Sebastian arrangiert, dass wir für einen Aufschlag von 900 Kronen pro Person die Waltour gegen das Eis tauschen. Eine gute Entscheidung!

Der Morgen begrüsst uns wie immer mit Nebel, der sich aber schnell verzieht. Um halb 10 geht es los zum Hafen. Alle haben so viele Kleidungsstücke übereinander gezogen wie möglich, denn wir fahren ein Stück über das offene Meer. Trotzdem spüren wir, wie die Kälte versucht, durch die vielen Schichten zu dringen.

Bald schon tauchen die ersten Eisberge auf, die in der Sonne glänzen. Und dann plötzlich ein Wal. Die Rückenflosse, die er uns ein paar Mal zeigt, sieht anders aus als die der Buckelwale, die wir schon oft gesehen haben. Mit einem letzten Blasen kündigt er an, dass er abtaucht und streckt seine riesige Fluke in die Luft – ein Pottwal! So einen sieht man in der Tat selten und alle sind glücklich, dass wir auf dieser Tour auch noch einen Wal zu sehen bekommen.

Die Eisberge werden immer größer. Ich dachte, wir hätten in Alaska schon viele Eisberge gesehen, aber das waren kleine Schollen gegenüber den Giganten, die uns hier begegnen. Erst Hochhaus-, dann Inselgroß treiben sie an uns vorbei und man bekommt ein Gefühl dafür, wie so ein Riese auf die Passagiere der Titanic gewirkt haben muss. Unsere grönländischen Bootsfahrer manövrieren uns mit dem kleinen Boot sicher bis zu einer kleinen Landzunge auf der Seitenmoräne des Eises. Das Inlandeis gehört übrigens nicht zu der Gattung „Gletscher“, auch wenn es große Stücke ins Meer entlässt. Nach etwas mehr als zwei Stunden können wir endlich aussteigen und die strapazierten Gelenke bewegen. Im Boot sitzt man ziemlich eng und es ist eine unruhige Fahrt gewesen. Nichts für Leute mit Bandscheibenproblemen!

Wir errichten ein „Basis-Lager“, wo wir nicht zur Wanderung benötigte Sachen liegen lassen und betreten die Eisfläche. Es fühlt sich rauh an unter den Sohlen und gar nicht glatt, wie man meinen könnte. Schwarze Steinchen bedecken die Fläche, die der Wind dorthin getragen hat. In der Ferne sieht man große Gletscherspalten und Sebastian lenkt uns in weitem Bogen über sicheres Gelände. Es geht stetig sanft bergan. Erst sehen wir noch das Geröllfeld der Endmoräne und die Eisberge, die im Fjord treiben, dann verschwinden sie hinter dem Eis. Vor uns ist nichts als die weiße Fläche und der Horizont. Ein wenig kann man nachempfinden, wie sehr Robert Peroni auf seiner Wanderung von diesem „weißen Horizont“ fasziniert war. Bei uns ist es allerdings so, dass wir, wenn wir zurück blicken, noch sehr viele Kilometer die Bergketten der Küstenregion sehen würden. So weit kommen wir natürlich nicht, dass auch diese am Horizont verschwinden. Uns wird warm beim Aufstieg und man kann sogar eine der Kleidungsschichten ausziehen. Leider verschwindet die Sonne jetzt im Dunst, was natürlich die Farben der Fotomotive etwas beeinträchtigt.

Nach einiger Zeit kommen wir an ein kleines Wasserloch, in dem ganz klares Wasser türkis schimmert. Einige füllen ihre Trinkbecher auf und nach einer Pause treten wir traurig den Rückweg an. Man möchte einfach immer weiter laufen uns schauen, was dann kommt, aber die höchste Stelle ist erst nach mehreren Hundert Kilometern erreicht ( die breiteste Stelle Des Eises ist über 1000 Kilometer breit). Aber auch hier sind wir etwa 150 Meter hoch, was heißt, dass der Eispanzer unter uns genau so dick ist, da wir auf Meeresniveau gestartet sind.

Auf einmal sehen wir rechts und links von uns tiefe Gletscherspalten. Tief blau schimmern sie im Innern und es werden immer mehr. Auf meinem Garmin sehe ich, dass wir zu weit nach links geraten sind. Die Spalten kann man von oben schlechter ausmachen als auf dem Anstieg. Aber Sebastian hat es auch schon gemerkt, führt uns ein Stück zurück und den sicheren Weg hinunter vom Eis. Uns wird aber an dieser Stelle klar, dass das kein Spaziergang ist, den man selbst mal eben auf eigene Faust unternehmen kann. Aus so einer Spalte käme man aus eigener Kraft nicht mehr heraus. Jetzt ist es Sommer und man sieht, wo der Boden fest ist. Im Winter, wenn Schnee die Fläche bedeckt, ist die Gefahr, in einer dieser Spalten zu versinken um einiges größer. Diese Wanderung war also etwas ganz besonderes und ich werde lange an die traumhaft schönen Eindrücke denken.

Wohlbehalten kommen wir in unserem Lager an und wärmen uns an warmem Tee und Kaffee. Toiletten gibt es hier allerdings nicht – nur große Steine, hinter denen man verschwinden kann. Nichts liegen lassen! Papier wieder mitnehmen ist hier oberstes Gebot! Die zweite Regel ist: nichts mitnehmen, so schön die Steine, die man hier findet, auch aussehen – es ist streng verboten! Kurze Zeit später sehen wir unsere beiden roten Boote in den Fjord einbiegen. In der Zwischenzeit haben sie eine Gruppe, die hier ein paar Tage gezeltet hatte nach Tasiilaq zurück gebracht.

Jetzt wartet die Rückfahrt von ebenfalls zwei Stunden auf uns. Da die Sonne jetzt hinter den Wolken verschwunden ist, wird es noch kälter und wir wickeln die Notfalloveralls aus dem Boot um unsere Beine.

Wir fahren noch an der Abbruchkante eines der Gletscher vorbei, der uns jedoch nicht den Gefallen tut zu kalben, obwohl wir aus der Ferne immer wieder das laute Krachen gehört haben.

Wir sind erst um halb acht zurück. Eigentlich ist um sieben schon Abendessen, aber da die Fahrt vom Haus aus organisiert war, bekommen wir jetzt auch noch unser Abendessen. Heute sollen wir die rohe Walhaut probieren. Das war bei allem guten Willen nicht meins. Aber es fällt nicht auf, da es nur der kleine Gruß aus der Küche war, den Peter dankenswerterweise übernommen hat. Danach eine Suppe und einen hervorragenden Moschusochsenbraten mit Gemüsesauce. Alles sehr sättigend! Als Dessert noch ein Stück Kuchen.

Wanderung und Einblicke in das Leben von Robert Peroni

Fr, 16.8.2019

Die Sonne strahlt vom Himmel und es ist warm – für die Grönländer Hochsommer! Statt des geplanten Museumsbesuchs machen wir eine weitere Wanderung. Wir starten wieder im Blumental und wandern dann links über den Grat zu einem Bergsee. Es geht wie beim ersten Mal über Geröll, Felsen und Wiesen. Wir schwitzen in der Sonne, da es immer bergan geht. Heute sind die Blackflies eine echte Plage. Sie sind winzig klein, stechen zwar nicht, fliegen aber in alle Öffnungen, die sie finden (Augen, Nase, Ohren). Fast alle setzen ihr Kopfnetz auf. Oben am See machen wir ein Picknick und Sebastian erklärt uns, dass das Wasser im See und in den Flüssen hier rein genug ist, um es zu trinken. So haben wir wenigstens kein Problem mit unseren Getränken. Ein wenig skeptisch bin ich dennoch, weil sich dort auch alle die Hände im See waschen und einer unserer Gruppe wieder in den See steigt.

Der Rückweg ist anspruchsvoll und erfordert schon Trittsicherheit. Aber wir kommen ohne Blessuren unten an, machen noch einen kurzen Stopp im Supermarkt, bevor wir die müden Füße eine Zeit lang hochlegen. Danach treffen wir uns zu einer Fragestunde mit Robert Peroni im Roten Haus wieder.

Der große Supermarkt in Tasiilaq
Trockenfisch

Wir machen es uns in der Bibliothek gemütlich und hören aufmerksam seinen Geschichten zu, die er in unvergleichlicher Art und Weise erzählt. Er ist schon ein sehr interessanter Mann und er kann fesselnd erzählen, wie er dazu gekommen ist, das Eis zu überqueren und sich hier in Tasiilaq niederzulassen. Amüsiert hören wir auch, wie er humorvoll von der komplett anderen Einstellung der Grönländer zum Leben, zur Arbeit und zu anderen Menschen erzählt. Bildlich führt er uns vor Augen, wie hart das Leben hier am Ende der Welt ist. Nur etwa vier Monate kann das Versorgungsschiff hier anlegen und in dieser Zeit müssen alle Container mit den notwendigsten Dingen gefüllt sein, damit sie für den langen Winter reichen. Ganz demütig wird man, wenn man sieht mit welcher Freundlichkeit die Menschen hier trotzdem den Fremden begegnen, die in ihren Augen doch superreich erscheinen müssen.

Aber auch hier vermittelt Robert in umgekehrter Richtung, indem er ihnen erklärt, dass die Besucher das ganze Jahr über arbeiten und sparen, um sich dann diese Reise leisten zu können. Das aber ist ebenfalls unverständlich für viele Einheimische – man arbeitet so lange, nur um ein paar Wochen wegfahren zu können. Es ist halt eine andere Kultur! Es gelingt Robert aber, dass die Menschen hier in gegenseitigem Respekt aufeinander zugehen.

Er ist hier der größte Arbeitgeber und sehr angesehen. Mit seinen 76 Jahren allerdings auch nicht mehr der jüngste und auch er macht sich Sorgen, wie es weiter geht, wenn er nicht mehr da ist. In Punkto Medien haben ihn seine Mitarbeiter zwar überholt (Zitat: “ Lass mal Robert, vom Computer verstehst du nichts, das mache ich.“), aber die Verbindungen zur restlichen Welt laufen immer noch über ihn und das zu übernehmen wird schwierig. Und den Überblick über das Ganze zu behalten und Entscheidungen zu treffen ist auch nicht einfach, wenn man eine so andere Denkweise hat. Viele diskutieren noch beim Essen über das, was sie gerade gehört haben.

Das Essen heute besteht aus Pasta und hervorragendem Dorsch mit frischen Kartoffeln (Ein Luxusprodukt hier, das in einem Flyer des Supermarktes ausführlich beworben wird) und gebackener Ananas als Nachtisch. Ja, auch die habe ich heute im Supermarkt gesehen – ein seltener Genuss hier.

Gustav Holm und sein Winterquartier

Sa, 17.8.2019

Heute Morgen geht es ruhig zu. Nach dem Frühstück bekommen wir von Sebastian nochmal einen Einblick in die Geschichte der Kolonisierung Grönlands, weil wir heute Nachmittag an den Ort fahren, wo Gustav Holm als erster Europäer 1884 mit seiner sogenannten Frauenbootexpedition gelandet war. Das Frauenboot ist ein größeres Boot, das auch Umiak genannt wird. Darin wurde alles transportiert, was man bei einem Umzug mitnehmen wollte, inclusive Schlittenhunde. Es wurde meist von Frauen gerudert, während Männer immer die wendigeren Jagd-Kajaks benutzten.

Nach einer Mittagspause auf der Terrasse in der Sonne besteigen wir das Boot zu einer kurzen Fahrt in eine nahe Bucht zur „Gustav Holm Varde“.

Gustav Holm war ein dänischer Marineoffizier und Entdecker. Er nahm, nachdem er die Gemeinde Ammassalik entdeckt hatte, das Gebiet für die dänische Krone „in Besitz“. Er ließ sich hier in der Nähe von Tasiilaq zum Überwintern nieder.

Zitat aus der Reisebeschreibung von Wikinger Reisen: „Die abenteuerliche Expedition, die zur Entdeckung einer der isoliertesten menschlichen Gesellschaften führte, können wir an Holms Überwinterungsplatz 1884/85 hautnah nacherleben. Immer das raue, niemals ruhende Polarmeer im Blick, brechen wir zu einer Wanderung an diesem geschichtsträchtigen Ort auf.“

Nachdem die Boote uns auf einem Felsen abgesetzt haben, besteigen wir den Hügel, der zu einem höhergelegenen Tal führt, in dem es genug Platz und frisches Wasser gibt. Von Holm kann man zwar nichts mehr entdecken, aber er war nicht der einzige, der diesen Ort zu schätzen wusste. Wir finden mehrere Überreste von späteren Winterhäusern der Inuit.

Wir setzen uns auf einen Felsen und lassen die Gegend auf uns wirken, ehe wir sie individuell ein wenig erkunden. Wunderschön ist es hier oben – und kein Mensch zu sehen.

Überreste des Walfangs

Zurück geht es wieder abwärts über Felsen. Ich bin froh, meine Wanderstöcke als Hilfe zu haben und über meine rutschfesten Wanderstiefel.

Zurück in Tasiilaq setzen wir uns nochmal auf „unsere“ Schlittenbank und genießen die Aussicht auf den Hafen. Ein paar kleine Eisschollen sind wieder in den Fjord getrieben und vor dem Hafen dümpeln 3 rote Segelschiffe in den Wellen. Ein tolles Farbenspiel.

Vor dem Abendessen lassen wir uns nochmal von der Abendsonne auf der Terrasse bescheinen, während die Schlittenhunde rund um den Ort wieder leise ihr ganz eigenes Geheul anstimmen. Sie sind übrigens keine Huskies, sondern stammen alle vom arktischen Wolf ab und sehen ganz anders aus.

Es wird kühl und wir verziehen uns in das gemütliche Haus.

Heute Abend gibt es Muscheln, die ähnlich aussehen wie unsere Miesmuscheln, aber nicht so viel Muschelfleisch in der Schale enthalten. Danach eine Minestrone und sehr zu unserem Erstaunen Rinderfilet Pizzaiola und hinterher Pannacotta, ein typisches italienisches Essen also diesmal.

Kirchenbesuch Gletscher und Zeitzeugen

So, 18.8.2019

Heute am Sonntag wollen die meisten die Kirche besuchen. Neben dem normalen Gottesdienst soll es auch noch eine Taufe geben. Ich hoffe sehr, dass es hier nicht nur um die Besichtigung einer Attraktion gehen wird. Aber die, die sich nicht der Kirche verbunden fühlen, gehen nicht mit, so dass das nicht der Fall ist. Ich nehme mir ein Gesangbuch und stelle beim Mitlesen fest, dass die Worte so ausgesprochen werden, wie man sie schreibt. Auch wenn man kein grönländisch versteht, kann man dem Geschehen folgen. Neben der Taufe finden auch noch gleich zwei Trauungen statt, so dass wir an mehreren Gebräuchen Anteil haben können. Es dauert 90 Minuten und während der Zeit ist, anders als bei uns, ein Kommen und Gehen. In der Kirche gibt es ein öffentliches WC und ich habe den Eindruck, dass jeder Kirchenbesucher das ausnutzt. Trotzdem kommt nicht der Eindruck auf, dass sie den Gottesdienst nicht ernst nehmen.

Die Kirche ist wunderschön und hell, mit einem Taufbecken aus Treibholz und Gemälden an den Wänden. An der Decke hängen ein Segelschiff und ein Umiak, so wie ein Kronleuchter. Es ist, wie in allen Häusern hier sehr warm. Nicht die Folge der Heizung, sondern weil sie alle extrem gut isoliert sind und die Sonne sie aufheizt. Wir schwitzen sehr, da wir schon unsere Kleidung für den nächsten Bootstrip anhaben. Wie bei uns auch werden nach dem Gottesdienst drinnen und draußen noch ausgiebig Fotos der Brautleute und des Täuflings gemacht. Fast jeder der Kirchenbesucher hat ein Handy dabei. Alle lächeln uns freundlich an und wir fühlen uns wirklich willkommen.

Nach dem Gottesdienst besteigen wir wieder die Boote und fahren zum Rasmussen Gletscher. Jeder hat wieder eine Menge Gepäck: Warme, wetterfeste Kleidung, Stöcke, Proviant, Wasser, Fotoausrüstung, Mückenmittel und Netz, Sonnencreme, Sonnenkappe, Handschuhe, Mütze, Schal, Plastiktüte mit Klopapier, Fernglas, Garmin, Sonnenbrille – da kommt schon einiges zusammen. Auf einer Wanderung sollten wir noch zusätzlich Schuhe zur Bachdurchquerung mitnehmen. Das erwies sich aber als überflüssig, weil der Wasserstand zu dieser Jahreszeit nicht so hoch ist, so dass Goretexstiefel reichen.

Auch heute strahlt wieder die Sonne vom Himmel und verspricht einen schönen Tag, aber man weiß nie, wie es ein paar Stunden später sein wird. Bei dieser Tour hat sich eine Italienerin uns angeschlossen, die allein unterwegs ist. So dünn, wie sie angezogen ist, wird sie jedenfalls ziemlich frieren.

Auf halber Strecke kreuzen 3 Buckelwale unseren Weg. Keiner ist mehr traurig darüber, dass wir die geplante Whalewatching Tour gegen die Inlandeiswanderung getauscht haben. Auch so bekommen wir Wale genug zu sehen. Uns fällt nur auf, dass sie hier viel schneller wieder abtauchen als in anderen Ländern. Sie wissen wohl, dass sie hier gejagt werden.

Je näher wir dem Gletscher kommen, desto kälter wird es, bis er plötzlich vor uns liegt.

Rasmussen Gletscher

Das Boot legt wieder an einem Felsen an und wir klettern an Land. Inzwischen haben wir den Bogen raus und fürchten nicht mehr, dass wir ins Wasser fallen. Über die Felsen turnend suchen wir uns einen schönen Picknickplatz mit Sicht auf die Eiskante.

Bevor wir zurück fahren, fährt uns unser Bootsführer noch dicht an der Kante vorbei und alle schießen hunderte von Bildern, weil sich alle paar Meter wieder ein neues großartiges Motiv zeigt. Im Moment kalbt dieser Gletscher leider nicht. Die Eisberge, die wir auf dem Hinweg gesehen haben stammen vom Nachbargletscher, dem Kaarali, an den man aber nicht so leicht heranfahren kann. Nur ein paar kleine Schollen treiben davor, auf denen sich ein paar Seevögel tummeln. Die Farbenvielfalt kann kaum ein Foto wiedergeben: Das Weiß des Eises mit blauen glänzenden Einschlüssen, das helle Blau des Himmels im Gegensatz zum Tiefdunkelblau bis Türkis des Wassers, umgeben von grauen und roten Felsen – wir können nicht genug schauen!

Auf dem Rückweg dann erwartet uns ein komplettes Kontrastprogramm zu diesem Naturspektakel. Wir stoppen an einer ehemaligen US Base aus dem zweiten Weltkrieg. In Grönland gibt es mehrere, aber nur Thule im Nordwesten ist auch heute noch besetzt.

Bei dieser hier hat der Zahn der Zeit schon ganze Arbeit geleistet. Unglaublich, was hier noch rumliegt: Neben der noch gut erkennbaren Landebahn aus Schotter stapeln sich Ummengen verrosteter Fässer, in denen wohl ehemals Treibstoff für die Flugzeuge auf dem Weg nach Europa gelagert wurde. Daneben vor sich hin rostende Autos, Bagger, andere Großgeräte, Teile der Häuser und Gebrauchsgegenstände. Ein Szenario wie in einer Filmkulisse wie etwa Waterworld. Unreal und irgendwie unheimlich. Im Gegensatz dazu die traumhafte Landschaft, der Fjord mit seinen im Sonnenlicht glänzenden weißen Eisschollen und der sich markant erhebende Berg hinter dem ganzen Gerümpel.

Eigentlich unglaublich, dass die Amerikaner hier nicht aufgeräumt haben. Ich finde, das spiegelt deutlich ihre Einstellung zu diesem Flecken am Ende der Welt wieder. Lachhaft, dass ausgerechnet gestern in den Nachrichten zu hören war, Trump wolle Grönland kaufen. Soll er erst mal hier Ordnung schaffen… Aber die Grönländer haben hier aus der Not eine Tugend gemacht und pflegen das Lager hier wie eine Sehenswürdigkeit. Es sieht fast so aus, aus würde jemand nach einem Sturm die Fässer wieder dekorativ stapeln. Es ist heute ja eigentlich auch ein Zeitzeugnis, das die Kriegsmanöver in Erinnerung hält.

Es ist spät geworden und zurück geht es jetzt im Eiltempo. Das kleine Boot tanzt wild auf den Wellen. Um kurz vor acht Uhr sind wir erst wieder in Tasiilaq. Hungrig genießen wir die leckere Suppe und den Heilbutt. Als Dessert wird dann noch eine Art Windbeutel auf Grönländisch serviert (eher wie ein sehr gutes Milchbrötchen mit Sahne), den ein Mädchen aus der Küche vorbereitet hat. Sie war so stolz, dass es kaum einer übers Herz bringt, ihn nicht zu essen. Das erste Mal in diesem Urlaub fühle ich mich so vollgegessen, dass ich kaum in den Schlaf finde. Dazu kommen die Eindrücke des Tages, die immer noch in meinem Kopf sind. Sehr spät schlafe ich dann doch ein und wundere mich, dass kurz danach schon wieder mein Wecker angeht.

Kultur satt

Mo, 19.8.2019

Heute ist Kulturtag. Zeitlich gut ausgewählt, denn es ist ziemlich bewölkt und die Sonne scheint heute den Kampf zu verlieren.

Sebastian hält sehr fesselnd einen Vortrag über Materialien und Gegenstände, die früher eingesetzt wurden, bei dem er viele Musterstücke mitgebracht hat, damit wir sie in die Hand nehmen können. Bei den Inuit war die Arbeit immer klar geregelt (zum Teil heute noch): die Männer jagen und die Frauen sind für die Nahrungszubereitung und das Nähen zuständig. Entsprechend gibt es auch verschiedene Werkzeuge für beide.

Das Ulu zum Beispiel wurde vornehmlich von Frauen für alle Arbeiten benutzt, zum Lösen des Fells der Robben, zum Enthäuten und Schneiden des Fischs, zum Schneiden von Leder und anderen Nähmaterialien und vieles mehr. Es ist ein Messer mit Handgriff, ähnlich unserer „Wiegemesser“ für Kräuter, hat aber nur eine Klinge und ist einseitig sehr scharf geschliffen.

Interessant finde ich die Konstruktion einer Harpune, die an einer Art Ballon aus Robbenhaut befestigt war, damit die erlegte Robbe nicht unterging.

Für die Männer gibt es eine Art Beil mit querstehender Klinge (früher aus Stein), den Dexel, so wie ein Ziehmesser mit einer scharfen Klinge an einem Stock. Die verwendeten Materialien waren ursprünglich aus Stein, Treibholz, Sehnen, Fellen, Rentiergeweih und anderen Naturmaterialien. Später kam dann Metall dazu.

Zum Schluss zeigt uns Robert noch den Zahn eines Narwals. Ich hatte diese seltsamen Tiere schon öfter in Filmen bewundert, bin aber erstaunt, wie lang (mehr als 2 Meter) und wie schwer dieses Teil aus Elfenbein ist. Kaum zu glauben, dass der Wal den immer vor sich her trägt.

Narwalzahn

Nach dem theoretischen Teil wird dann das Gehörte im Museum von Tasiilaq und in der Schnitzwerkstatt am Ort noch einmal veranschaulicht.

Die Schnitzwerkstatt kann jeder im Ort benutzen und die ausgestellten Kunstwerke kann man käuflich erwerben. In der Werkstatt selbst kann ich nicht lange bleiben, denn die vorhandenen Absaugrohre werden von den Grönländern offenbar nicht benutzt und in der Luft liegt eine Mischung aus Holz- und Specksteinstaub, den man schlecht aushält. Nichts für Allergiker. Aber ich bewundere die Schnitzereien in den Schaukästen und kaufe eine schön geschnitzte und polierte Walfluke aus Rentiergeweih, das man im Gegensatz zu Elfenbein oder Eisbärzähnen/-klauen auch nach Deutschland einführen darf. Auch hier bekommen wir nochmal erklärt, dass die Tiere hier nicht wegen des Elfenbeins oder anderer Trophäen gejagt werden (siehe Einleitung zu diesem Blogbeitrag). Fotografieren darf man hier übrigens nicht.

Schnitzwerkstatt Tasiilaq

Das Museum ist in der ehemaligen Kirche untergebracht, die für die wachsende Bevölkerung zu klein wurde und steht an exponierter Stelle malerisch auf einem Hügel. Wir können vieles aus Sebastians Erzählungen hier wiederfinden. Auch traditionelle Kleidung ist hier ausgestellt. Eine Erfindung, die es bis nach Europa geschafft hat ist der Anorak. Oft haben wir diesen als Kleidungsstück bei den Männern des Ortes gesehen. Zum größten Teil tragen sie heute jedoch importierte Funktionskleidung. Die traditionelle Kleidung wird nur noch zu festlichen Anlässen (wie z.B. der Hochzeit) getragen.

Neben dem Museum kann man noch ein altes Winterhaus besichtigen. Diese waren in Meereshöhe gebaut, günstig gelegen zur Jagd auf dem Eis. Wir bücken uns, um durch die tiefer liegende Kälteschleuse in des Innere zu gelangen, in dem erstaunlicherweise unsere ganze Gruppe Platz findet.

Museum von Tasiilaq

Nach so viel Information gehen einige von uns noch auf einen Cappucchino in das einzige Café, in dem man auch Hamburger und Pommes Frites kaufen kann, was einige junge Einheimische mit Kindern offenbar gerade tun.

Café in Tasiilaq

Wieder zurück im Roten Haus geht es weiter mit Geschichte. Wir sehen den Film „Palo’s Brautfahrt“, gedreht von Knud Rasmussen kurz vor seinem Tod. Es ist ein Stummfilm, in dem neben zwei grönländischen Schauspielern ansonsten nur Laien mit ihrem Equipment mitspielen. Die Handlung zeigt Szenen von der damals üblichen Art der Brautsuche mit Spielfilmelementen wie Eifersucht und Streit. Man erfährt aber auch sehr viel über das damalige Leben der Grönländer. Man sieht sie in ihren Booten jagen, ihre Zelte aufbauen, wie sie ihre Kinder tragen und die Nahrung bereiten und wie sie ihre Winterhäuser errichten.

Heute gibt es wieder Wal, aber daran haben wir uns jetzt gewöhnt und ein Dinkelrisotto mit Käse-Sahne-Sauce, als Dessert Pudding mit Krähenbeeren, eine der Blaubeere ähnliche Frucht, die aber viel bitterer ist und kernig. So mit Sirup und Pudding ist es aber ganz lecker.

Als Abschluss des Kulturtages präsentiert uns eines der Küchenmädchen noch einen traditionellen Trommeltanz. Robert erklärt die Darbietung selbst in der ihm eigenen Art und Weise. Man merkt immer wieder, wie sehr ihm die Menschen hier am Herzen liegen. Er erzählt davon, dass der Tanz immer eine Bedeutung hatte und wie er im Leben der Inuit seinen Platz hatte, so dass man meint, man ist selbst dabei. Es gibt offenbar verschiedene Arten. Der hier gezeigte ist ruhig, begleitet von monotonem Gesang (was ganz und gar nicht negativ gemeint ist!), unterbrochen durch Rufe. Die Tänzerin trägt dabei die typische Kleidung der grönländischen Frauen, die wir heute schon im Museum und diese Woche bei der Hochzeit bewundern durften. Fasziniert und ohne ein Wort zu sagen schauen alle zu.

Die letzte lange Wanderung

Di, 20.8.2019

Leider ist heute schon der letzte Tag. Auf dem Programm steht die immer wieder hinausgeschobene lange Wanderung an den Seen oberhalb von Tasiilaq entlang.

Um 9:30 Uhr starten wir erneut mit der Durchquerung des schon bekannten Blumentals. Der Nebel, der heute über dem ganzen Ort lag, verzieht sich immer mehr und es wird so warm, dass man wie am ersten Tag ohne Jacke wandern kann. Der „Weg“ ist heute zwar als Trampelpfad die meiste Zeit zu erkennen, aber immer wieder überqueren wir Felsplatten, Geröll oder kleine Bachläufe. Hinter dem Blumental biegen wir diesmal nach rechts ab, laufen an einem türkis schimmernden klaren See entlang, überqueren einen Bergsattel, bevor es dann wieder abwärts geht. Hier verliert sich der Pfad und man muss sich seinen Weg wieder selbst suchen. Teilweise ist es recht steil. Unten erreichen wir einen weiteren See, genau so türkis in der Sonne glänzend, an dem man seine Wasserflaschen wieder auffüllen kann. An diesem See entlang führt dann ein Versorgungsweg zu einer Wasserstandsmessstation, auf dem man eigentlich ganz ohne Mühen gehen kann. Wahrscheinlich bin ich von der Landschaft so fasziniert, dass ich genau hier nicht aufpasse und mit meinem schon verletzten Fuss wieder umknicke – nicht zu glauben! Ich ärgere mich über meine Dummheit! Zum Glück kann ich weiter gehen, auch wenn es etwas schmerzt.

In Serpentinen führt der Weg nach oben. Rechts sehen wir einen Wasserfall, der oben aus den Bergen kommt. Oben angekommen erstreckt sich erneut ein glasklarer Gletschersee vor uns, an dem wir eine Rast machen. Ein bißchen Wehmut taucht auf, da das unser letztes Ziel ist und die Aussicht wirklich wunderschön. Wir machen ein paar Gruppenbilder an diesem malerischen Ort und mögen uns kaum trennen.

Zurück geht es wieder die Piste entlang, an den Seen und einem Fluss vorbei bis zum Wasserkraftwerk von Tasiilaq. Das blaue Haus ist schon von weitem zu sehen. Aber wer meint, man sei jetzt am Ende, der hat sich getäuscht. Das letzte Stück ist nochmal sehr anspruchsvoll. Es geht über einen sehr schmalen Pfad. Links geht es steil bergab zum Fjord und rechts einen Hang hoch. Trittsicher und schwindelfrei sollte man hier sein. Schon lange sehen wir Tasiilaq vor uns liegen, aber der Weg nimmt kein Ende. Wir staunen nicht schlecht, als uns einheimische Jungen mit dem Mountainbike entgegen kommen. Wir passieren das Gebiet mit den Schlittenhunden, die uns neugierig betrachten, aber ruhig liegen bleiben. Hier kommt also das Heulen her, das wir abends immer hören.

Im Ort dann nochmal ganz bis unten zum Supermarkt, dann wieder hoch bis zur Kirche, wieder runter zum Hafen und wieder hoch zum Roten Haus. Wir spüren unsere Füsse nicht mehr. Im Zimmer heißt es dann erst mal Schuhe aus und Füße hoch und einen Kaffee genießen und entspannen. Eine sehr nette Annehmlichkeit ist der Wasserkocher auf dem Zimmer, so dass man nicht immer nach oben laufen muss. Kaffee und Tee steht oben auch stets zur Verfügung.

Eine halbe Stunde später treffen wir uns aber schon wieder im Roten Haus, um den Film über Robert Peronis letzte Tour zum Inlandeis zu sehen. „Der weiße Horizont“ zeigt diese Expedition, begleitet von Freunden und einem Filmteam, auf der er – schon ziemlich krank – noch einmal die Stelle erreichen will, an der man keinen Berggipfel und nichts mehr sieht, nur das Weiß um sich herum. Mit vielen Mühen und Strapazen gelingt es seinen Traum zu verwirklichen. Gerade noch rechtzeitig vor einem Sturm schaffen sie es zurück.

Bis zum letzten Abendessen haben wir noch eine halbe Stunde Zeit, in der wir das Gesehene verarbeiten und unsere strapazierten Füße noch einmal hochlegen können. Es ist kühl geworden draußen und deshalb sitzen die meisten in der gemütlichen Bibliothek. Heute ist das Rote Haus sehr voll. Erstaunlich, wie gut die Küche die Organisation hinbekommt! Heute gibt es Lachs – echten Wildlachs, wie Robert versichert, und es schmeckt ausgezeichnet.

Zum Packen verschwinden heute alle ziemlich früh auf ihre Zimmer. Morgen gibt es um 7 Uhr ein „reduziertes Frühstück“. Um diese Uhrzeit sind noch keine frischen Backwaren erhältlich. Wir schlafen diesmal nicht ganz so schnell ein. Vielleicht, weil es die letzte Nacht ist, vielleicht, weil man Angst hat zu verschlafen, vielleicht, weil einem noch so viel im Kopf herum geht.

Abschied

Mi, 21.8.2019

Zwar früh, aber dennoch ausgiebig frühstücken wir noch einmal im Roten Haus bevor wir das letzte Mal den Berg hinunter Richtung Anleger gehen. Die Koffer haben wir vorher vor die Tür gestellt und Robert fährt sie zum Boot. Die Boote sind schon da. Schnell ziehen wir die Überhosen und Jacken an, denn die Fahrt dauert nochmal eine Stunde. Nach einem herzlichen Abschied von Robert geht es in rasendem Tempo dann Richtung Kulusuk. Unser Gepäckboot überholt uns. Die Haare der Grönländerin, die es fährt, flattern im Wind und das Boot tanzt wild in den hohen Wellen. Wir hoffen, dass kein Koffer aus dem offenen Boot über Bord geht. In Kulusuk am Anleger angekommen stellen wir erleichtert fest, dass jetzt Flut ist und das Boot entsprechend höher im Wasser liegt, was das Aussteigen enorm erleichtert. Wie bei der Hinreise fährt ein Quad mit Anhänger unser Gepäck, während wir den Berg hinauf laufen.

Es bleibt nach dem Einchecken genug Zeit, um noch im Duty Free Shop zu schauen und letzte Souvenirs zu kaufen. Dann besteigen wir die kleine Maschine, die uns zurück nach Reykjavik bringen soll. Unter uns glänzt noch lange das Meer, auf dem kleine Eisschollen schwimmen und wir fragen uns wo die Zeit geblieben ist. Sind wir nicht gerade erst gelandet?

Dann taucht auch schon Reykjavik auf. Passend zu unserer Stimmung begrüßt es uns mit dunklen Wolken. Aber wenigstens regnet es nicht und so können wir, nachdem wir wieder im Fosshotel Lind eingecheckt haben, noch einen Bummel durch die Stadt machen. Meine Güte, sind hier viele Menschen! Wir setzen uns auch ohne Sonnenschein noch einmal vor den Englischen Pub, wo uns ein Einheimischer anspricht, dem wir vor 12 Tagen schon hier aufgefallen waren. Wir unterhalten uns eine Weile und erzählen von unseren Erlebnissen. Danach treffen wir uns noch einmal mit der Wikinger Gruppe im Restaurant Sea Baron, um bei einem Fischessen die schöne Tour ausklingen zu lassen.

Zurück nach Deutschland

Do, 22.8.2019

Am nächsten Morgen dann noch ein gemeinsames Frühstück im Hotel und dann bringt uns der Shuttlebus nach Keflavik. Auch hier haben wir das Gefühl, gerade erst angekommen zu sein. Problemlos geht hier alles vonstatten und wir können in aller Ruhe noch einen Kaffee trinken. Der Lufthansa Flug ist ok, wenn auch nicht so komfortabel, wie Iceland Air, aber er dauert ja auch nur etwa drei Stunden. Beim Aussteigen schlägt uns eine Welle heißer Luft entgegen. Die Temperaturen hier sind sehr hoch. Der schlimmste Teil ist dann die Fahrt im ICE nach Siegburg. Wie üblich kommt die Bahn mit der Hitze nicht zurecht und die Klimaanlage hat ihren Geist aufgegeben. Die Bahnangestellten hetzen durch den Zug und verteilen kostenlose Getränke, aber das macht es auch nicht viel besser. Wir sind froh, dass wir nach 40 Minuten wieder aussteigen können.

Aber an die Hitze hier müssen wir uns erst mal gewöhnen!

Zusammenfassend kann ich sagen, dass diese Gruppenreise ein sehr positives Erlebnis war. Auch wenn wir eigentlich eher Alleinreisende sind, könnte ich keine negativen Punkte finden. Sicher muss man sich ein wenig anpassen und hätte allein an manchen Orten länger verweilt, aber wir hätten mit Sicherheit nicht so viele interessante Fakten gehört und wären an einige Orte wahrscheinlich gar nicht gekommen. Der größte Dank gebührt aber wohl unserem Reiseleiter, der nicht müde wurde uns das alles nahe zu bringen und Robert Peroni, der ein ungemein interessanter Mann ist und diese Reise zu etwas Besonderem gemacht hat.

Interessante Literatur zum Nachlesen:

Robert Peroni: Der weiße Horizont, Ulstein Taschenbuchverlag 1995

Robert Peroni: Kälte, Wind und Freiheit, NG Taschenbuch 2016

Michael Harbsmeier: Stimmen aus dem äußersten Norden, Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2001

Michael Köhlmeier: Spielplatz der Helden, dtv Verlag 2013