

Manitoba, Kanadas wilde Seite
Diese Provinz stand bisher bei unseren vielen Reisen durch Kanada gar nicht auf der Liste der sehenswerten Gegenden. Schade! Mehr durch Zufall sind wir dieses Mal hier gelandet. Unser Ziel ist eigentlich nur Churchill, wo wir einen Aufenthalt gebucht haben, um einmal Eisbären live zu beobachten. Nachdem wir mehrere Jahre lang in Kanada und Alaska Grizzlies und Schwarzbären gefilmt hatten, fehlte uns diese Spezies noch in unserem Sortiment.
Reisestart mit Hindernissen
Aber wie kann man das am besten erreichen? Ich habe mich lange vorbereitet und einige Möglichkeiten gefunden, von denen aber die meisten sehr schwierig von Europa aus zu organisieren waren.
Unsere erste Idee, mit dem Zug von Toronto nach Winnipeg und von dort ebenfalls mit dem Zug nach Churchill zu fahren ist in der Planungsphase 2018 schon daran gescheitert, dass die zweite Strecke nach schlimmen Überflutungen im Vorjahr noch nicht befahrbar war. (Inzwischen ist aber alles wieder repariert.)
Also mit Via Rail von Toronto nach Winnipeg, und dann per Flugzeug nach Churchill. Das ließ aber einen anderen Punkt unseres Plans zerplatzen. Ich hatte mich für den Photographen aus Churchill Alex de Vries und seine Führungen interessiert (https://discoverchurchill.com/about-us/). Im Gegensatz zu den anderen Touren wird man da nicht mit den Monstertrucks (Arctic Crawler genannt) durch die Tundra gefahren, sondern mit kleineren Wagen und in kleineren Gruppen. Jedoch die Kombination Flug-Hotel-Zeitfenster der Tourguides konnte ich einfach nicht privat zusammenstellen. Zumindest nicht in akzeptabler Zeitspanne. Wer zwei Wochen Zeit (und Geld) hat, kann das sicher vereinbaren, aber da wir schon drei Wochen Ontario im Vorfeld geplant hatten, blieben uns noch etwa 10 Tage. Der Zug ab Toronto fährt nicht jeden Tag, der Flieger nach Churchill geht auch nicht täglich und man muss sich auf ein Zeitfenster für die Touren festlegen.
So haben wir dann erst mal die klassische Variante gewählt: Ein Paket der Lazy Bear Lodge inclusive Flug, Unterkunft und geführte Touren im Crawler. Auch nicht billig, aber alles in einer Hand. Im Nachhinein war das finanziell ein Glück für uns, da die Covid Pandemie dazwischen kam und Kanada erst mal die Grenzen dicht machte. Die Lodge schob das ganze Paket einfach ins nächste Jahr. Wer hätte damals gedacht, dass wir selbst dann noch bis 3 Wochen vor dem Abflug zittern mussten, ob es wirklich möglich war. Zudem teilte uns ViaRail mit, dass die Zugfahrt ab Toronto 2021 auch nicht zu buchen war. Also gar keine Zugreise – das sollte eigentlich ein Highlight gewesen sein. Traurig, zumal nachdem der erste Höhepunkt – eine Paddeltour im Algonquin Park – ebenfalls kurzfristig abgesagt wurde.
Aber jetzt endlich! Geimpft sind wir, ArriveCan App runterladen, Quarantäneplan aufstellen, PCR Test vereinbaren….. ohne die Hilfe der tollen Canadagruppe bei Facebook (Canada Backroads) wäre das alles noch viel komplizierter gewesen.
Unser Quarantäneplan beinhaltet die Buchung eines Apartments in Toronto mit kurzfristiger Stornierungsmöglichkeit über Booking com, Adressen und Websites von Lieferdiensten (z.B. Uber Eats), Apotheken etc, falls danach gefragt wird, wie in den Bestimmungen der offiziellen Seite aufgeführt.
Es geht los
In Frankfurt am Flughafen werden neben Pass auch die Impfzertifikate und der PCR Test geprüft. Alles in Ordnung und es geht schneller als gedacht.
Der Flug mit FFP2 Maske ist nicht angenehm, aber wir haben in der (extra gebuchten) Exit-Row viel Platz.
In Toronto spüre ich meinen Adrenalinspiegel steigen. Werden wir zu den zufällig getesteten gehören? Kommt dann das Resultat früh genug, um uns nicht in der Quarantäneunterkunft festzusetzen? Reichen meine Angaben zum Quarantäneplan? Erst mal füllen wir die Einreiseformulare an einem Computerterminal aus, dann stehen wir in der Schlange vor dem Grenzposten. Was vor uns dort passiert können wir wegen des Abstandes nicht erkennen. Dann sind wir dran. Ich fühle meinen Herzschlag. Er schaut in den Computer und auf unsere Pässe, fragt überhaupt nichts, klebt einen grünen Sticker auf die Ausweise und wünscht uns eine gute Reise – das war alles? Ich kann es nicht glauben und gehe wie im Traum weiter. Keiner hält uns mehr auf. Vor lauter Aufregung finden wir erst mal das richtige Kofferrollband nicht. Aber da ist schon unser Gepäck. Wir sind tatsächlich durch. Vor dem Schalter des Mietwagens storniere ich das Apartment und wir machen uns auf den Weg zum ersten Hotel (Best Western Airport).
Über die Rundreise in Ontario schreibe ich in einem anderen Beitrag meines Blogs.
Von Ontario nach Manitoba
Winnipeg
Aber jetzt erst man weiter. Im Flugzeug nach Winnipeg konnten wir Online leider keine Sitzplätze reservieren. Beim Einchecken bekommen wir nur noch Einzelplätze im komplett ausgebuchten Flieger. Ein wenig Unbehagen kommt auf in dieser Enge, die man gar nicht mehr gewohnt ist und wir sind froh nach 2 Stunden wieder an der Luft zu sein. Das Taxi vom Airport zur Stadt ist im Paket der Lazy Bear Lodge inkludiert obwohl wir 3 Tage früher ankommen. Auch unser privat gebuchtes Zimmer im „Inn at the Forks“ haben sie mit ihrer Buchung zusammengefügt. Schöner Service, der aber nicht so ganz klappte – wir mussten das Zimmer doch wechseln. Weil wir per Flugzeug einen Tag eher ankommen als mit dem ursprünglich geplanten Zug, ist bei der Buchung etwas schief gelaufen ist. Aber das ist egal. Beide Zimmer haben einen traumhaften Blick auf das Museum of Human Rights und den Park.


Wir sind früh da, so dass wir einen großen Teil des Tages noch vor uns haben. Wir machen einen Spaziergang um das Hotel herum. Die Gegend nennt sich wie auch das Hotel „The Forks“ (Fork=Gabel). https://www.innforks.com
Der Zusammenfluss von Red River und Assiniboine River wurde schon vor 6000 Jahren besiedelt. Der Treffpunkt der First Nations wurde zur „National Historic Site of Canada“ ernannt. Neben den schönen Grünanlagen kann man sich hier im „The Forks Market“ aus einer riesigen Auswahl an Speisen und Getränken etwas holen und draußen an Tischen, Liegen und Bänken den Tag genießen. Am Abend sorgen einige Gasfeuerstellen für angenehme Wärme. Sollte es regnen, gibt es auch innen ausreichend Sitzgelegenheiten.
Viele Leute sind unterwegs, es ist Samstag und wir sehen überwiegend Einheimische, die das Wochenende genießen.
Auch das Museum of Human Rights befindet sich ein paar Schritte weiter. Leider ist es sonntags und montags geschlossen. Gerade die beiden Tage, in denen wir in Winnipeg sind. Zu dumm, aber dadurch, dass wir die ganze Planung um ein Jahr verschoben hatten, haben sich natürlich auch die Wochentage geändert. Wenn wir aus Churchill zurück kommen, werden wir aber dazu noch Gelegenheit finden.
Nach dem Abendessen im Hotel trinken wir noch einen Cocktail an der Hotelbar. (Gut zu wissen: auch dieses Restaurant und die Bar haben Sonntag und Montag Ruhetag)






Am nächsten Tag wecken uns die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster in unser Zimmer scheinen. Zum Frühstück gehen wir ins Pancake House in der Markthalle nebenan. Danach erkunden wir weiter die Gegend. Wir schlendern über die Brücke (Esplanade Riel) nach Saint Boniface und fühlen uns hier im französischen Stadtteil wie in einer kleinen Stadt in Frankreich. In den Straßencafés frühstücken die Spätaufsteher draußen in der Sonne.
Wir schlendern am Ufer des Red River entlang. Nach kurzer Zeit erreichen wir das Museum und die Fassade der Kathedrale Saint Boniface. Seit 1818 gibt es die Kirche an dieser Stelle. 1906 wurde das heutige Gebäude geweiht, das dann 1968 durch ein Feuer fast ganz zerstört wurde. 1972 hat man eine kleine moderne Kirche hinter der alten Fassade errichtet, in der heute die römisch katholische Gemeinde ihren Treffpunkt hat.
Das Museum lassen wir aus, aber wer sich informieren möchte, kann dem Link folgen: http://msbm.mb.ca
Weiter geht es am Ufer des Red River, wo man einige Statuen findet, die hier zu Ehren der „Grey Nuns“ (graue Nonnen) aufgestellt wurden, vier katholische Nonnen, die 1844 mit einem Kanu hier ankamen und sich unter schwierigen Bedingungen um die Siedler kümmerten.
Über die Autobrücke (Norwood Bridge), die auch einen Fußweg hat, gelangen wir wieder auf die andere Seite, auf der man ebenfalls am Flussufer entlang spazieren kann, bis man wieder auf den Assiniboine River trifft, dessen River Walk zu unserem Ausgangspunkt führt.
Unterwegs trifft man auf einige Skulpturen, die auf einen Neuanfang und Respekt vor den Menschen und der Natur hinweisen. Zum Beispiel zeigt „NIIMAAMAA“ („My Mother“) eine schwangere Frau (Respekt vor Müttern, Frauen, Mother Earth..).
Etwas weiter steht eine Büffelskulptur, gemacht aus 200 Stahlkopien von Büchern und Filmen indigener Autoren. Aus dem Info-Schild entnimmt man den Sinn: Früher bedeuteten Büffel alles für die Bevölkerung – heute ist es die Bildung („Education is the new Bison“).
Man passiert kurz vor „The Forks Market“ noch den „Oodena Celebration Circle“ mit seiner imposanten Sonnenuhr, die in der Dunkelheit mit ihren riesigen Peilstangen die Sternbilder am Himmel erklärt.
(Wer mehr darüber erfahren will kann das über die Website des Monuments tun:
https://www.theforks.com/uploads/public/files/attractions/oodena_info.pdf)














Es ist ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit (25 Grad) und die Sonne scheint vom makellos blauen Himmel. Nachdem wir im großen Patio des Forks Market 2 Liegen mit Blick auf den Fluss ergattert haben, wollen wir gar nicht mehr weg. Es ist jetzt Nachmittag und es haben sich viele Sonnenhungrige hier versammelt. Wir beobachten die ankommenden Kanufahrer und Jogger während wir unseren Cocktail trinken. Hier wird momentan übrigens akribisch durch Security-Personal kontrolliert, ob man geimpft ist – selbst hier draußen!
Wenn die Sonne untergeht, wird es jedoch etwas kühl (Oktober halt!) und wir ziehen es vor in der nebengelegenen „Old Spaghetti Factory“ zu Abend zu essen. Sie liegt im Gebäude des „Johnston-Terminals“, einem 1929 erbauten und 1993 renovierten historischen Einkaufszentrum mit kleinen Geschäften und Restaurants. Wir finden das Restaurant gemütlich und sehr empfehlenswert für Leute, die für relativ wenig Geld gut essen wollen und italienisches Essen mögen.
(https://oldspaghettifactory.ca/locations/winnipeg/)


Noch etwas für Leute, die den hoffentlich bald wieder normal fahrenden Zug nach Winnipeg nehmen wollen:
Ich hatte im Jahr davor ein Hotel nahe des Haupteingangs gebucht, da die Ankunftszeit spät nachts ist. Wir hätten uns aber sehr geärgert. So nah wäre es nicht gewesen und nachts mit Gepäck vom Bahnhof aus durch die Straßen zu laufen wäre auch nicht lustig gewesen. Statt dessen eignet sich das „Inn Of The Forks“ (von dem Google Maps fast 2 km Entfernung vom Bahnhof angibt) viel besser, da es einen Hinterausgang gibt. Von dort sind es etwa 200-300m bis zum Hotel durch eine wesentlich angenehmere belebtere Gegend. Man sieht beim Rausgehen schon das große beleuchtete Museum und geht einfach nach rechts Richtung Market. Das Hotel liegt gleich gegenüber.




Der nächste Tag begrüsst uns wieder mit blauem Himmel.
Mit dem Taxi (28$) geht es zum Zoo.
(https://www.assiniboinepark.ca/zoo/visit/hours-and-rates)
Wenn man Zoos mag und die deutschen in Köln, Hannover, Gelsenkirchen und Duisburg kennt, ist man wahrscheinlich erst mal enttäuscht. Das Highlight ist hier die Anlage „Journey to Churchill“, wo auf einem großen Gelände die Landschaft Churchills nachgebaut ist und 10 Eisbären gehalten werden. Bedenkt man aber, dass diese Tiere hunderte Kilometer wandern, tun einem die Tiere leid. Allerdings sind diese laut Aussage des „Leatherdale International Polar Bear Conservation Centre“ (siehe Zoo-Website oben) gerettete Bären, die in der Wildnis nicht überlebt hätten. Ich freue mich dennoch darauf, Churchill „Live“ zu erleben. Von den anderen Tiergehegen ist vielleicht noch der Wolfsbereich sehenswert. Aber auch hier laufen diese schönen Tieren ständig nur am Zaun hin und her. Einer ist verletzt und humpelt. So richtig Freude kommt da echt nicht auf. Das wirft natürlich die Frage auf, inwieweit Zoos überhaupt ihre Berechtigung haben, was lange kontrovers diskutiert werden könnte. Einerseits Artenerhalt und Sensibilisieren für die unbekannten Lebewesen. Was man nicht kennt, für das wird man sich eventuell nicht einsetzen. Andererseits ist es fragwürdig, ob man eine Auswahl von Tieren leiden lassen muss um die wild lebenden zu schützen.
Den Nachmittag genießen wir wie gestern nochmal vor „The Forks“ , wo die Temperaturen nochmal ungewöhnlich hoch sind, so dass wir uns wie im Sommer fühlen.




Churchill
Endlich! Nach dem Frühstück im „Inn At The Forks“ werden wir im Foyer von einer Mitarbeiterin der Lazy Bear Lodge erwartet. Viele Leute drängen sich um die Frau und wollen alles mögliche wissen – oh je, weit entfernt von „individuell“…
Endlich sind wir dran und geben unsere vorausgefüllten Erklärungen (bzgl. Gesundheit, Haftungsausschluss und Kontaktpersonen in Deutschland) ab.
Unser Gepäck wird in einem Reisebus verstaut, der uns zum Flughafen fahren soll. Wir sind etwas genervt. Jeder Platz ist besetzt und eine Reihe von Passagieren stehen noch im Mittelgang – wie war das nochmal mit Abstand wegen Covid? Hier ist das kanadische „Social Distancing“ zur Farce mutiert. Die Ansteckungsgefahr ist meines Erachtens hier enorm. Fenster zu und alle reden lautstark durcheinander. Maskenpflicht gibt es zwar, aber viele nehmen das nicht so ernst. Besonders eine Truppe, die schon offensichtlich „vorgeglüht“ viel zu spät kommt, alle übertönt und die Masken halb unten hängen hat, fällt besonders unangenehm auf. Später im Flugzeug dann nochmal, weil sie sich mit Wodka vollschütten, quer durch den Gang schreien und die Maske absetzen, sobald die Stewardess vorbei ist. Das fängt ja gut an!
Am Flughafenterminal dauert es auch recht lange. Es ist ein Charterflug und somit keine Formalitäten erforderlich, aber ich denke, dass durch die Verspätung des Busses wegen der Partytruppe der Flieger nicht mehr im geplanten Slot abheben konnte.
Auch das Flugzeug ist rappelvoll und wir sind froh als wir landen. Der Flug dauert etwa 2 Stunden. Mit einem alten Schulbus werden wir zur Lodge gebracht. Unser Gepäck wird direkt bis zur Zimmertür transportiert.
Es gibt 2 Gruppen, die auch die nächsten Tage zusammen bleiben werden. Unsere Stimmung steigt enorm – die Chaostruppe ist im anderen Bus! Auch unsere Unterkunft gefällt uns sehr. Ein gemütliches Holzzimmer mit ungeahntem Comfort. Bisher haben wir auf Touren zur Bärenbeobachtung immer im Zelt oder einfachen Unterkünften gewohnt. Das hier ist Luxus dagegen.
Es schneit ein wenig und es ist kalt. Die Wärme der Lodge und ein leckerer Kaffee auf dem Zimmer versöhnt uns mit der etwas ungemütlichen Anreise.
Mit einem anderen deutschen Paar aus Chemnitz tauschen wir beim Abendessen unsere Erwartungen für den nächsten Tag aus.






Der Morgen beginnt früh. Um 6 Uhr reißt uns der Wecker unsanft aus den Träumen. Heute ist unsere erste Tour mit dem Arctic-Crawler durch die Tundra. 20 Leute drängen in das Fahrzeug. Wirklich bequem mit guter Sicht sitzt man allerdings nur in der ersten Reihe. Ich habe Glück und ergattere einen der begehrten Sitze. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied zu den bisherigen Bärentouren, die wir mitgemacht haben. Obwohl die Leute alle sehr nett sind stört mich das Gewusel.
8 Stunden kämpft sich der Tundrabuggy durch Matsch und Wasser. Das geht ganz schön in den Rücken. Zudem gibt es leider nicht viel zu sehen. Erst gegen Mittag, als das Schneetreiben aufhört, wird die Weitsicht besser – und da, ein Punkt am Horizont! Eine Eisbärmutter mit einem Jungen. Sie kuscheln sich an einen weißen schneebedeckten Hügel, und man kann sie trotz Fernglas mehr ahnen als richtig sehen. Ein gutes Teleobjektiv rettet ein paar Aufnahmen. Eine halbe Stunde stehen wir mit etlichen anderen Riesenbuggys dort, während die beiden Tiere sich nicht bewegen. Der Guide versucht sein bestes, die Gruppe mit Geschichten bei Laune zu halten, bereitet das Lunch zu (Sandwiches, Suppe und heißen Kaffee oder Tee). Aber auch der Essensgeruch, der aus allen Fahrzeugen durch die geöffneten Fenster zu den Bären dringen muss, bewirkt keinerlei Aktivität. Wir entscheiden dann, weiter zu fahren. Aber das war’s für heute. Eine magere Ausbeute für acht Stunden Schaukelei.
Etwas enttäuscht und still finden sich alle beim Abendessen ein.
Übermorgen gibt es noch einmal eine Chance. Wir sind froh, nicht einen Aufenthalt von weniger als 3 Tagen mit nur einer Tour gebucht zu haben.








Der nächste Tag ist ausgefüllt mit einer „Heritage Tour“ durch Churchill und Umgebung. Wir sehen die Stadt, den Strand, das Bärengefängnis und ein abgestürztes Flugzeug (Miss Piggy), das jetzt als Touristenattraktion dort liegen bleibt. Danach besuchen wir die Befestigungsanlage am Cape Merry an der Einmündung des Hudson Rivers, Sie ist benannt nach John Merry, Deputy Governor der Hudson’s Bay Company. Wir erfahren viel über die Geschichte der Gegend. Es ist alles sehr interessant.
Wenn der Guide uns immer wieder ermahnt, uns nicht so weit von der Gruppe zum entfernen, ausgeschmückt mit Geschichten, in denen Eisbären am Strand die Touristen verjagt haben, will keiner von uns glauben, dass sich zur jetzigen Zeit ein Tier zeigen könnte. Am Strand liegt ein altes Schiff als Fluchtmöglichkeit, falls ein Bär dort auftaucht. Wir haben noch Gelegenheit, die „Cathedral Of The Holy Canadian Martyrs And Queen Of Martyrs“ zu besichtigen und das kleine Itsanitaq Museum, indem man sich über die Inuit Kultur informieren kann. Mir gefällt Churchill.










Am Nachmittag treffen wir eine Deutsche, die ich durch eine Facebook-Gruppe kennengelernt habe. Sie wohnt inzwischen hier und arbeitet im „Complex“. Sie führt uns in dem großen Gebäude herum, wo von der Stadtverwaltung über die Bibliothek, Schwimmbad, Turnhalle, Bowlingbahn und Indoorspielplatz alles untergebracht ist, was so ein Ort braucht. Auch das Krankenhaus mit Cafeteria für alle und die Schule sind angeschlossen. Wenn es im Winter kalt und dunkel ist, kann sich die Bevölkerung hier aufhalten. Dadurch, dass alles unter einem Dach ist, sinkt auch die Gefahr einem Eisbären zu begegnen. Alles ist sehr modern und gepflegt.
Im Hotel Seaport essen wir zu Mittag. Wir erfahren, dass dies das einzige Hotel ist, das ganzjährig geöffnet hat. Man benötigt hier übrigens auch einen Impfnachweis. Die Pandemie hat allerdings hier in Churchill nicht so stark gewütet, da auch vieles geschlossen war und keine Besucher einreisen durften. Ein paar wenige Fälle gab es, man vermutet von Leuten, die ab und zu beruflich oder wegen eines Arztbesuches Churchill verlassen mussten. Die nächsten Siedlungen sind um die 1000 km entfernt (Winnipeg 1006km), von da kommt das Virus nicht so schnell hierhin.


Am Abend gibt es noch eine organisierte Touristenattraktion: Dog-Mushing – Hundeschlittenrennen. So ohne Schnee und nur für Touristen – ich bin ja nicht so angetan davon. Zuerst treffen wir uns in der Blockhütte, wo uns der Betreiber eindrucksvoll von seinen früheren Rennen erzählt. Die Wände sind voll mit Bildern und Erinnerungen. Dann geht es raus zu den Hunden, die in der Zeit angeschnallt wurden und wohl kaum erwarten können, dass es los geht. Sie bellen, jaulen und ziehen an den Geschirren. Unglücklich sehen sie nicht aus. Es ist dunkel geworden und leider geben die schnell gemachten Bilder kein gutes Ergebnis. Überraschenderweise ist die Fahrt besser als erwartet. Die Hunde sind wirklich toll und sie springen aufgeregt durcheinander. Je 2 Leute teilen sich einen Schlitten, der statt Kufen Räder hat. Mit hohem Tempo rasen wir durch den dunklen Wald. Über uns am klaren Himmel tausende Sterne. Man spürt die Kälte im Gesicht. Außer dem Gebell der Hunde stört kein Geräusch. Das würde ich gern noch einmal länger im Schnee machen! https://www.wapuskadventures.com



Am nächsten Tag steigen wieder alle gut eingepackt in den Bus, der uns noch einmal zum Arctic Crawler bringt. Diesmal sind andere schneller und besetzen die ersten Reihen. Ich setze mich neben den Fahrer auf eine Truhe. Ist zwar nicht so bequem wie ein richtiger Sitz mit Lehne, aber die Aussicht ist besser. Mit meinen 160cm Größe verschwinde ich zwischen den Sitzrücken und Köpfen und könnte nur zum Fenster neben mir hinaus schauen. Am Abend werde ich jedoch die Folgen des unbequemeren Platzes im Rücken spüren. Aber egal. Los geht es. Acht Stunden Geschaukel liegt wieder vor uns. Heute ist es kalt, aber sonnig und man kann weit in die Ferne schauen.
Plötzlich ein Ruf von hinten: „ Da, ein Bär!!“ Alle springen auf (was beim Fahren eigentlich nicht erlaubt ist…) und versuchen durch irgendein Fenster einen Blick zu erhaschen. Und wirklich. Nachdem der Guide hinter 4 anderen Buggys angehalten hat, sehen wir oben auf einem Damm einen Einzelgänger seinen Weg ziehen. Er ist ganz schmutzig – wahrscheinlich hat er im Schlamm gelegen. Man kann ihn mit bloßem Auge sehen, aber er wirkt auf die Entfernung nicht größer als eine Katze. Ein Fernglas und ein Teleobjektiv ist hier ein Muss, sonst hat man nicht viel davon. Nach 10 Minuten ist er hinter dem Hügel verschwunden und wir fahren weiter.

Als nächstes begegnet uns die Mutter mit dem Jungen, die wir gestern schon gesehen haben. Etwas näher und aktiver als beim ersten Mal, aber nach kürzester Zeit verschwindet sie im Gebüsch, ohne die Touristenfahrzeuge zu beachten. Eisbären, die sich am Buggy hoch aufrichten und einem in die Augen schauen – davon sehen wir nichts.
Zwei Halbstarke liegen noch reglos auf einer Wiese. Einer hebt den Kopf und schaut müde auf die Reihe von Crawlern. Viele der anderen Fahrzeuge versperren uns die Sicht – man muss Glück haben, dass gerade der eigene Guide als erster dort ist.
Um die Mittagszeit dann doch noch eine kleine Überraschung. Wir parken zum Lunch an einer schönen Stelle mit Aussicht über die Beringsee, als sich plötzlich in der Sonne am Ufer ein weißer Stein bewegt – tatsächlich ist es ein großer Eisbär, der in unsere Richtung schnüffelt. Aber so gut riecht es nun wohl auch wieder nicht, dass er sich aufrafft und näher kommt. Wenigstens können wir ihn ohne Sichtbehinderung lange Zeit beobachten und noch ein paar schöne Bilder machen.






Das war’s. Ob sich der horrende Preis gelohnt hat, muss wohl jeder für sich beurteilen. Es gibt ja auch Gruppen, die wesentlich mehr gesehen haben, aber das ist eben Glücksache. Das hier ist Natur – und kein Zoo. Zudem macht die Klimaerwärmumg sich auch hier bemerkbar. Es wird viel später kalt. Eigentlich sollte um diese Jahreszeit schon Schnee liegen und die Bay anfangen zuzufrieren. Das wäre dann der Zeitpunkt, an dem sich unzählige Tiere hier versammeln, um auf dem Eis Robben zu jagen. Statt dessen taut der Permafrostboden immer mehr auf – das ist der Grund, warum wir durch die Schlammwüste fahren mussten. Die wenigen Bären, die schon da sind, schonen ihre Kräfte und sind sehr träge.
Trotzdem bin ich persönlich froh, dass ich hier sein durfte. Sollte ich jedoch noch einmal Gelegenheit haben, nach Churchill zu kommen (oder in ein anderes Eisbärengebiet), werde ich mich für eine andere Form der Beobachtung entscheiden. Jetzt, wo wir uns einen Überblick verschaffen konnten, würden wir wohl mutiger nach individuelleren Angeboten ausschauen. Wobei ich nichts gegen die Lazy Bear Lodge sagen möchte. Die vielen Crawler, die sich durch die Tundra schleppen, sind nicht nur ihre eigenen. Und die Lodge ist wirklich toll.
Wer es aber etwas weniger touristisch haben möchte, aber trotzdem etwas Organisation vor Ort (wie ich schon erwähnt hatte: Auf eigene Faust darf man nicht so einfach in den Nationalpark fahren), sollte vielleicht zumindest die etwas teurere Tundra Buggy Lodge mitten in der Wildnis wählen. Da hat man noch die Möglichkeit weiter zu beobachten, wenn die Touristenkolonne das Gebiet verlassen hat. Außerdem machen die Guides dort Beobachtungstouren mit kleineren Gruppen und nicht so riesigen Fahrzeugen. Zudem sind sie immer die ersten vor Ort.
https://www.canadapolarbears.com/trip/tundra-buggy-lodge-polar-bear-viewing
Die Abreise ist übrigens sehr hektisch. Wir haben den Fehler gemacht und – wie die meisten der Gruppe – noch ein Abendessen in der Lodge gebucht. Das klappt definitiv nicht! Da man das Zimmer morgens schon räumen muss und die Koffer schon am Flughafen sind, haben alle Wechselkleidung im Handgepäck. Keiner will mit Skikleidung im Flugzeug sitzen. Aber es gibt nur eine (!) Toilette für beide Gruppen. Ich ziehe mich in einer Ecke mitten im Gewühl vor dem WC um. Wenn man gut plant, ist das möglich. (Für Frauen: Leggins anlassen, Outdoorrock drüber, dicke Fleecejacke aus, fertig).
Die Küche kann den Ansturm nicht bewältigen! Unser Essen bekommen wir, als der Bus draußen schon hupt. Wir schaffen es gerade so, alles in eine Box zu packen und zu bezahlen, bevor er abfährt. Essen können wir im Bus nicht – Maskenpflicht! (Das wird in absehbarer Zeit ja wieder anders sein) Am Flughafen angekommen ist das Essen kalt – und eigentlich ist dort auch Maskenpflicht. Aber es wird geduldet, dass man noch seine Verpflegung verzehrt.
Wir warten lange in der Halle, und jetzt wird mir auch klar, warum es so hektisch zuging: Die Gäste aus den USA mussten vorher noch alle einen Covid Schnelltest machen, da sie in Winnipeg gleich einen Anschlussflieger nach Hause haben. Auch das wird sich ja hoffentlich in Zukunft wieder entspannen! Wir brauchen keinen Test. Erstens bleiben wir noch 5 Tage in Kanada und zweitens ist es für die Einreise nach Deutschland für Geimpfte nicht mehr nötig. Wir sitzen also noch etwa eine Stunde rum. Viel machen kann man hier nicht.


Unser heutiges Hotel in Winnipeg (The Grand) liegt unmittelbar gegenüber dem Flughafenausgang. Praktisch für den Zugang zum Flieger, aber lange nicht so schön wie das Inn At The Forks. Heute Abend sind wir nach dem langen Tag froh, nicht mehr fahren zu müssen. Und am Abflugtag können wir auch nach dem Auschecken direkt zum Checkin über die kleine Straße laufen.
Leider hat das Restaurant geschlossen und wir bekommen für morgen früh ein Lunchpaket (Covideinschränkung). Aus einem Automaten kann man sich noch Getränke und Snacks holen.
Die Aussicht aus dem Fenster geht ins Parkhaus nebenan und um in die Stadt zu kommen, ist es am nächsten Tag auch umständlich. Wir wollen den Bus nehmen, können aber nicht rausfinden, wo und wann er fährt. Wer oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, hat vielleicht weniger Probleme damit. Es gibt definitiv einen Bus. Wir entscheiden uns aber für das Taxi (pro Fahrt 28$).
Hier in Winnipeg ist es jetzt eisig kalt. Wir sind jetzt gar nicht mehr so unglücklich, dass wir den Zoo vor einer Woche besucht haben und heute den Tag im gut geheizten Museum Of Human Rights verbringen können. Wir finden es ganz toll. Sowohl die Architektur, als auch die Ausstellungen. Wenn man alle Videos schaut und alles liest, ist man einige Stunden beschäftigt.





Wir beenden unseren Manitobatrip mit einem Abendessen in „unserem“ Restaurant, der Old Spaghetti Factory.
Morgen geht es zurück nach Toronto, wo wir noch 3 Übernachtungen bleiben werden. (Nachzulesen in einem anderen Beitrag auf meinem Blog)
Abschließend wäre noch zusammen zu fassen: Covid hat den Urlaub schon beeinträchtigt. Vieles war geschlossen, die Masken überall zu tragen ist lästig, aber machbar. Andererseits war es nirgendwo voll und man konnte immer Stellen finden, wo man allein mit der Natur war. Das haben wir als großen Vorteil gesehen. Auch wurde man an etlichen Orten besonders freundlich begrüßt mit: „Schön, dass ihr wieder da sein dürft“. Flüge und Hotels waren zwar teuer, aber deutlich preiswerter als zu „normalen“ Hauptsaison-Zeiten. Das wird sich wahrscheinlich schnell wieder ändern, zumal viele nach der langen Abstinenz Nachholbedarf haben werden.